Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament einen Schlusserben
verbindlich eingesetzt, kann der überlebende Ehegatte Teile des Vermögens nicht mehr ohne
Weiteres verschenken. Der Beschenkte muss gegebenenfalls das Geschenk an den Schlusserben
herausgeben. Voraussetzung dafür ist, dass der Erblasser kein anerkennenswertes
lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung hatte.
So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Mannes, der im gemeinschaftlichen
Testament seiner Eltern zum Schlusserben eingesetzt worden war. Nach dem Tod
der Mutter lernte der Vater eine 20 Jahre jüngere Frau kennen und lebte mit ihr zusammen. Er
schenkte ihr u.a. Fondsbeteiligungen und Lebensversicherungen für ca. 250.000 EUR. Der Sohn
verlangte nach dem Tod des Vaters von ihr die Herausgabe der Vermögenswerte. Diese
Geschenke würden seinen Erbteil beeinträchtigen. Die Frau argumentierte, sie habe die Vermögenswerte
aus Dankbarkeit für und zur Sicherstellung weiterer intensiver Pflege erhalten. Sie
habe den Vater während des Zusammenlebens quasi 24 Stunden am Tag gepflegt und betreut.
Die Klage hatte Erfolg. Das OLG hat die Frau verurteilt, die geschenkten Vermögenswerte herauszugeben.
Die Schenkungen hätten die Erberwartung des Sohnes beeinträchtigt. Sie seien
nicht durch ein – eine Benachteiligungsabsicht ausschließendes – anerkennenswertes lebzeitiges
Eigeninteresse des Vaters veranlasst gewesen.
Nach dem Tode der Mutter habe der Vater die Einsetzung des Sohnes als Schlusserbe beachten
müssen. Die Erbeinsetzung beruhe auf einer wechselbezüglichen Verfügung beider Ehegatten,
an die der Überlebende nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten gebunden sei.
Die Frau habe nicht schlüssig nachgewiesen, dass die Schenkungen als Gegenleistung für die
erbrachten oder erwarteten Pflegeleistungen vertraglich vereinbart gewesen seien. Zudem
habe der Vater mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Orientiert am Schutzzweck des Gesetzes
seien an das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht zunächst nur geringe Anforderungen zu
stellen. Die Beeinträchtigung des Vertragserben müsse nicht das einzige oder leitende Motiv für
die Schenkung gewesen sein. Es genüge vielmehr, dass der Erblasser wisse, dass er durch die
unentgeltliche Zuwendung das Erbe schmälere.
Um eine Benachteiligungsabsicht festzustellen, müssten die beteiligten Interessen abgewogen
werden. Es müsse geprüft werden, ob der Erblasser ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse
an der Zuwendung habe. Nur in diesem Fall müsse der Erbe die ihn beeinträchtigende
Schenkung hinnehmen. Ein derartiges Eigeninteresse könne zwar vorliegen, wenn ein Erblasser
mit einer Schenkung seine Altersvorsorge und Pflege sichern wolle. Ein solches anerkennenswertes
lebzeitiges Eigeninteresse des Vaters habe die Frau hier aber nicht schlüssig
darlegen können. Die Schenkungen hätten den Nachlass weitgehend wertlos gemacht. Dem
stünden behauptete Pflege- und Haushaltsleistungen über einen Zeitraum von ca. vier Jahren
gegenüber. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Frau während dieser Zeit ohnehin in vollem
Umfang freie Kost und Logis vom Vater erhalten habe. Zudem sei sie mit ihm zusammen auf
dessen Kosten gereist. Außerdem habe ihr der Sohn für die Zeit nach dem Tode des Vaters ein
Wohnrecht zugesagt. Vor diesem Hintergrund rechtfertigten die behaupteten Pflege- und Haushaltsleistungen
die infrage stehenden Schenkungen nicht.
QUELLE: OLG Hamm, Urteil vom 12.9.2017, 10 U 75/16, Abruf-Nr. unter 197792 www.iww.de.
Kategorie(n)
Allgemein, Erbrecht